Vom Donnerstag den 1.12. bis zu Sonntag dem 4.12. hat unser Seminar in Beit Jalla bei Bethlehem stattgefunden.
Für mich und die anderen Herbststarter war es das erste Seminar, für die Sommerstarter schon das zweite.
Untergebracht waren wir im Gästehaus von Talitha Kumi, einer christlichen Schule in Beit Jalla an der nach deutschen Bildungsstandards unterrichtet wird, was vielen Menschen dort aus der Gegend geholfen hat.
Schon die Fahrt nach Bethlehem war ein kleines Abenteuer, da wir erst einmal den richtigen Bus finden mussten und in diesem dann nicht genau wussten wo wir aussteigen mussten. Wir versuchten die u uns sitzenden einheimischen zu fragen, allerdings konnten diese Englisch nur so weit, dass sie uns sagen konnten, dass Talitha Kumi in Beit Jalla ist, also war das nicht sonderlich hilfreich ...
Glücklicherweise schafften wir es dann aber doch in dem überfüllten Bus mit dem Busfahrer zu kommunizieren, so dass dieser uns direkt am Eingang zu Talitha Kumi aussteigen ließ, was ein großes Geschenk war, da es gerade richtig anfing zu regnen und es einfach nur noch ungemütlich war draußen zu sein.
Endlich angekommen, genossen wir erst einmal die Wärme und das wiedersehen mit den anderen Volontären und dann endlich auch noch das Abendessen.
Am ersten Abend hatten wir eine kleine Einführung in das Thema mit dem wir uns an diesem Wochenende besonders beschäftigen würden: dem Palästina-Israel-Konflikt, im Besonderen aus der Sicht der Palästinenser.
Um mit den ganzen Informationen die wir von den Einheimischen hier dazu bekamen besser umgehen und sie einordnen zu können, hatten wir Mirjam Hollmer beim Seminar dabei. Sie ist christliche Islamwissenschaftlerin, lebt in Jerusalem und arbeitet für die Zeitschrift Israelnetz in der versucht wird viele Nachrichten speziell über Israel hier aus neutralerer Sicht dar zu stellen als das unsere normalen deutschen Medien können.
Diese Einführung bestand unter anderem aus dem Film "West Bank Story" in dem dieser Konflikt auf sehr humorvolle Art und Weise auf die Schippe genommen wird, dieser ist durchaus sehenswert.
Da es am nächsten Tag immer noch stark regnete wurde aus unserem Besuch an Dahers Weinberg ("Tent of Nations") ein Besuch des Weinbergbesitzers bei uns, da unsere Busse nicht durch den Schlamm dorthin hätten fahren können.
Er erzählte uns auf Deutsch von der Geschichte seines Stückes Land, und hier merkte man auch wieder den Einfluss den Talitha Kumi hier hat.
Dieser Weinberg ist heute ein sehr nachhaltig geführtes Land, auf dem auch viele internationale Begegnungen stattfinden. Das hat sich allerdings erst so entwickelt, nachdem das israelische Militär dieses Land nach jahrelanger nicht-Nutzung zu Staatsland erklären wollte, was wir allerdings erst später von Mirjam erfuhren.
Auf alle Fälle hat seine Familie nun einen Jahrelangen und noch immer nicht abgeschlossenen Rechtsstreit mit dem israelischen Militär hinter sich und gibt dennoch dieses Land nicht auf. Beispielsweise haben sie 4000 Ölbäume auf ihrem Land wieder angepflanzt nachdem diese im Zuge dieses Landstreites zerstört wurden und allein schon das pflanzen eines Ölbaums zeugt vom Glauben an die Zukunft, da diese erst nach zehn Jahren erste Früchte tragen.
Danach fuhren wir zu "Lifegate", einer Einrichtung für behinderte Kinder in Beit Jalla, welche ebenfalls von Deutschland aus unterstützt und nach deutschen Standards geführt ist. Die Kinder haben hier einen auf sie und ihre Bedürfnisse und Fähigkeiten zugeschnittenen Unterricht und auch weitere Ausbildungsmöglichkeiten wie Beispielsweise eine Schreinerei und eine Schmiede.
Hier war genau an diesem Tag gerade Tag der offenen Tür, wodurch wir uns nicht den normalen Betrieb anschauen konnten.
Lifegate finanziert sich hauptsächlich durch Verkäufe ihrer Produkte auf Weihnachtsmärkten und aus Spenden und so gab es einiges davon an diesem Tag auch dort zu sehen und es herrschte doch auch ziemliche Weihnachtsstimmung.
Hier aßen wir dann noch sehr gut zu Mittag und danach machten wir uns aufgrund des schlechten Wetters nicht auf den Weg in die Stadt, sondern fuhren zu "Beit al Liqa" dem "Haus der Begegnung" auf deutsch.
Hier erzählte uns Johnny Shahwahn, der Gründer des Hauses von seiner beeindruckenden Lebensgeschichte und davon, wie dieses Haus entstand: Er stammt aus einer arabisch-christlichen Familie in Bethlehem und wie viele junge Menschen hier, war sein Traum aus diesem Chancenlosen Ort heraus zu kommen. Dank seinem Schulbesuch in Talitha Kumi hatte er die Möglichkeit in Deutschland zu studieren und später kam er nach Kanada wo er sich schließlich bekehrte. Er ging mit seiner Frau, die er in Deutschland kennengelernt hatte an die Wiedenester Bibelschule um letztendlich als Missionar in seine Heimatstadt zurück zu kehren, in der zu diesem Zeitpunkt allerdings schlimmer Krieg herrschte.
Es war beeindruckend zu hören, wie er in dieser Zeit, in der er sich täglich in Gefahr begeben hat u Leuten zu helfen bewahrt worden ist und wie sich letztendlich aus einem kleinen Begegnungscafé im Ortszentrum über den ersten öffentlichen Kinderspielplatz Bethlehems dieser Ort der Hoffnung wurde. Hier finden sehr viele Aktionen für die verschiedenen Menschen der Stadt statt und besonders für die Kinder ist dieser Ort etwas ganz Besonderes.
Am nächsten Tag fuhren wir dann zu den Hirtenfeldern von Bethlehem, wo auch Höhlen wie die zu sehen waren, in der Jesus wahrscheinlich geboren wurde. Er wurde nämlich wohl, entgegen der typischen Vorstellung nicht in einem typischen Stall geboren, sondern in und um Bethlehem gibt es viele Höhlen die als solches genutzt wurden.
Es war dennoch schwierig sich das wirklich bewusst zu machen, inmitten dieser Bebauung und der steinigen Hügel, dass die "Hirten auf dem Felde" aus der Bibel irgendwo hier ihre Schafe gehütet haben müssen als die Engel kamen.
Aber genau das ist ja das Besondere an Jesu Geburt, dass eben nichts so geschah, wie die Leute es erwarteten, und das ist heute eben doch nicht anders.
Ein besonderer Moment war es, als wir in der kleinen Kapelle dort die gute Akustik nutzten und gemeinsam "Tochter Zion" sangen.
Danach mussten wir auch schon weiter, es ging nach Bethlehem rein, zur Geburtskirche.
Diese war allerdings nicht so eindrucksvoll. Es war Großteils eine Baustelle und einfach nur ein Gedränge um ein kleines Loch, welches den Stein darstellen soll, auf den Jesus geboren ist (Ich vermute dieses Loch ist durch zu viele Berührungen und Küsse über die Jahrhunderte hinweg in diesem Stein entstanden).
Es gab aber auch ein paar schöne Stellen in diesem Kirchenkomplex, die nicht so überladen waren.
Nach dem Besuch der Kirche hatten wir noch en wenig Zeit uns Bethlehem anzuschauen, was wir sonst ja nicht machen können.
Hier hat man stark den Einfluss des Christentums gemerkt und wir wurden mehrmals als Deutsche erkannt.
Im Gegensatz zu Jerusalem war es vor allem schmutziger und es war kau etwas auf hebräisch, man sah oft Zeichen für Palästina, oftmals auch eindeutig auf ganz Israel und nicht nur auf das Westjordanland bezogen.
Nach einer kurzen Pause in unserer Unterkunft mit einem guten Mittagessen ging es dann wieder los.
Wir fuhren an die Grenzmauer zwischen der Israel und dem Westjordanland, die leider tatsächlich als Schutz vor terroristischen Anschlägen gebraucht wird, allerdings eben auch den Palästinensern die Freiheit nimmt.
Wie auf den Bildern zu sehen ist, sind auf der Mauer viele Graffitis, manche davon durchaus schöne Bilder und Sprüche, manches allerdings auch wieder ziemlich erschreckend.
Zum Glück hatten wir Mirjam bei uns, die uns ein paar Symbole erklären konnte: Ein wichtiges Symbol der Palästinenser ist das sogenannte "Handala", dieses kleine Männchen das immer nur von hinten zu sehen ist steht für die vertriebenen Palästinenser aus den jetzt israelischen Gebieten und Ostjerusalem, die jetzt heimatlos sind. Hierfür steht auch der Schlüssel, der das Symbol für diese Häuser ist, die die Palästinenser zurück ließen.
Was auch oft auf palästinensischen Graffitis zu sehen ist, ist diese Frau, Leila Khaled, die die erste weibliche Attentäterin war und als Heldin und Märtyrerin gefeiert wird.
Von hier aus fuhren wir zum "Deheishe Flüchtlingslager", welches nicht wirklich der typischen Vorstellung eines Flüchtlingslagers entspricht, weder in Bezug auf die Örtlichkeit, och in Bezug auf die Menschen.
Die Menschen in diesem "Lager" leben dort Großteils schon in zweiter und dritter Generation und sind die Leute, die 1948 im Unabhängigkeitskrieg Israels auf den Ruf anderer arabischer Staaten hin ihr Land verließen in dem Glauben, nach einiger Zeit, wenn die Israelis durch diesen Krieg wieder aus dem Land getrieben worden sind wieder zurück zu können. Dem war nun mal nicht der Fall und jetzt leben die Leute immer noch dort, in einem Camp das eine vorkommt wie ein heruntergekommenes Stadtviertel und pochen nach wie vor bei der UN auf ihr Recht, wieder in ihr angestammtes Land zurück zu können. Dieses Recht existiert im übrigen nur für die palästinensischen Flüchtlinge, kein anderer Flüchtling auf der Welt besitzt auf irgendeine Art und Weise wirklich das Recht, zurück in das Gebiet zu gehen aus dem er (oder seine Vorfahren) stammt.
Es war erschreckend zu sehen, wie die Menschen dort leben, und verwirrend zu hören, was uns über das Leben dort erzählt wurde, etwa dass sie in ständiger Angst vor dem israelischen Militär leben und diese einfach irgendwelchen Kindern ins Knie schießen ...
Allerdings muss man dann dazu sagen, was Mirjam glücklicherweise tat, dass es unter diesen Kindern als nette Freizeitbeschäftigung gilt, Soldaten mit Steinen zu bewerfen und es niemandem von ihnen als Straftat vorkommt, ganz im Gegenteil: sehr viele der jungen Männer dieses Camps waren schon im Gefängnis und diese werden wie Helden gefeiert wenn sie wieder zurück kommen.
Was allerdings auch stimmt, ist dass sie in diesem Lager ein besonderes Gemeinschaftsgefühl haben und es werden nahezu keine Verbrechen dort verübt (außer natürlich gegenüber israelischen Soldaten, aber das wird anders wahrgenommen) und die Leute versuchen durchaus einfach aus ihrer Situation das Beste für sich zu machen.
Nach diesem Tag herrschte viel Verwirrung in unseren Köpfen, aber auch mehr Verständnis, für die Komplexität dieses Konflikts. Wenn ich in diesen Tagen eines gelernt habe, dann dass sich Konfliktsituationen niemals nur aus einer Sicht beurteilen lassen, denn selbst mit den besten Absichten können Menschen nun mal nur das wiedergeben, was sie in ihrer Wahrnehmung haben, und wenn dir als Kind schon beigebracht wird, dass israelische Soldaten nichts als "grüne Monster" sind, dann ist es natürlich schwierig das im Unrechtsgefühl zu haben, wodurch so jemand das eine niemals "objektiv" erzählen könnte. Aber auch von der anderen Seite aus kann man so etwas nicht wirklich beurteilen, denn wie will man schon nachvollziehen können wie es ist, immer so auf zu wachsen?
Am nächsten Tag, dem zweiten Advent hatten wir noch einen sehr schönen Gottesdienst mit einem bewegenden Lebenszeugnisses eines Mitvolontärs und danach gab es Mittagessen und zu guter Letzt den Abschied von einander.
Es war sehr schön gewesen alle wieder zu sehen und der Abschied in Hinblick auf die kommende Weihnachtszeit, in der man manche doch noch öfter sehen könnte doch sehr schön.
Am Ende des Tages sind alle gut wieder nach Hause gekommen, wieder bereit für den Alltag.
Ich hoffe auch euch allen geht es gut, seid gesegnet!
Eva
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